Oct 25 2010

Westweg 2010 (Teil 2)

Categories: wandern westweg .
 

Das ist Teil 2 des Blogeintrags zu unserer Westwegwanderung. Teil 1 ist hier zu finden_

Neuer Tag, neues Glück. Ein Blick aus dem Fenster offenbart eine sturmgepeitschte Deutschlandfahne und lustig horizontal angeordneter Starkregen. Herrliche Aussichten für den professionellen Jack-Wolfskin-Material-Tester, weniger gut für eine Horde Wanderamateure. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt und so gehen wir in der festen Überzeugung, daß sich nach dem Frühstück das Wetter gebessert hat, nach unten. Dabei wird uns schon nach der ersten Stufe bewusst dass die gestrige 26 Kilometer-Tour deutliche Spuren an uns hinterlassen hat. Die 10 Höhenmeter runter zum Gastraum verlangen uns alles ab.

Unten angekommen erwartet uns in der Gaststube schon ein leckeres Frühstücksbuffet sowie ein taubstummer Wanderer. Dieser reagiert trotz besten Bemühen nicht auf unsere Kommunikationsversuche, stellt sich dann irgendwann aber als schwerhöriger Engländer heraus. Darüber hinaus ist noch eine türkische Grossfamilie beim Frühstück, die gestern irgendwie nicht vorhanden war und ganz und gar nicht in unser Westweg-Wanderer Schema passen will.

Wie auch immer. Gegen 9:00 Uhr sind die letzten Reste verputzt, der Rucksack gepackt und, nachdem Georg unsere Schlaftrunk-Rechnung beglichen hat, kann’s auch schon losgehen. So traben wir mit federnden Schritt (der Boden hat überall Sumpfqualität erreicht) mal mehr mal weniger Nah der B500 entlang bis wir kurz vor Furtwangen beim Gasthof “Hirschen” die Straße unterqueren und hinter uns lassen und langsam zum Berg Brend ansteigen.

Der Wind hat in der Zwischenzeit wieder zugenommen. Thomas und Georg, die sich beim Müller-Markt mit Einweg-Regenponchos für 1 Euro pro Stück versorgt haben, knattern lustig hinter uns im Wind. In besonders heftigen Phasen überlegen wir uns, ob wir die Zwei nicht mit etwas Kuhzaun-Draht am Boden  fixieren sollten um ein davon-wehen zu verhindern. Da der Zaun aber überall unter Storm steht und bald danach auch wieder der Wind geschützte Wald erreicht ist, lassen wir davon ab.

Die restlichen Kilometer zum Brend sind eine gar lustige Wetterpermutation: Wind, Regen und Schnee werden munter in 2^3 Kombinationen gemixed und abwechselnd dargeboten. Zusammen mit der dauerhaft vorhandenen Eiseskälte sinkt unsere Stimmung umgekehrt-proportional zur erreichten Höhe. An der Schutzhütte kurz vor dem Brend-Turm ist deshalb auch keiner mehr so recht für ein Hüttenpicknick zu begeistern und so wandern wir (ohne auch nur einen Blick auf den Turm geworfen zu haben) durch dichten Nebel (huch, was Neues!) zum Naturfreundehaus weiter. Dort erwartet uns ein warmer Kachelofen und ein als Speisekarte getarnter Aufnahmetest in den Mensaclub.

Als IT-Mensch bin ich in meinem Leben ja schon einer Menge komplexer Literatur begegnet (ich erinnere mich zum Beispiel noch lebhaft an das wenig geliebte Advanced RPG2-Reference-Manual für die IBM/36) aber der Aufbau dieser Speisekarte schlägt dem Fass den Boden aus: Aufgemacht als unschuldige Speisekarte im Lederimitatumschlag verbirgt sich hier ein Logik-Rätsel erster Güte:

Vorspeisen, Hauptgerichte und Beilagen werden aufgezählt.

Jeweils verfügbar in Zeiträumen von 12:00 Uhr – 14:00 Uhr, 14:00 Uhr – 15:00 Uhr, Abends, Ganztags und Nachmittags (“Vesperzeit”).

Einige Speisen kommen nur in einem Zeitraum vor, andere in mehreren (dann aber manchmal zu verschiedenen Preisen).

Anfangs versuchen wir noch durch einfaches ausprobieren ein Mittagessen zu bestellen. Ein naives “Schnitzel mit Pommes Herr Wirt?” wird vom Logikprüfer sofort streng und unnachgiebig mit einem Verweis auf eine ungültige Kombination (Schnitzel gibt es nur Mittags, Pommes zum Vesper – aber nur in Kombination mit einer Gulaschsuppe) zurückgewiesen.

Wir sind verzweifelt.

Wir haben Geld, Hunger und unsere Diätpläne sind schon längst begraben, aber der Mensawächter verwehrt uns den Zugang zu wertvollen Kohlenhydraten. Nach einiger Zeit geben wir auf und bestellen das, was wir zu diesem Zeitpunkt als gültige Kombination identifiziert haben: Erbsenensuppe im Bierkrug und Bratwurst.

Dirk ist besonders mutig und bestellt ein Schnitzel OHNE Pommes aber MIT Salat. Des Rätsels Lösung: Es ist kurz vor 14 Uhr. So bekommt er sein Schnitzel schnell noch im 12:00 – 14:00 Uhr Timeslot serviert.

Als wir weiterziehen sind es noch ca. 12 Kilometer bis zum Ziel. Der weitere Weg führt über einen von der EU subventionierten Waldweg (Sachen gibt’s) zu einer beindruckenden Ansammlung von Felsen, den Güntersteinen, und dann immer leicht bergab Richtung Blindsee. Dieser ist weitere 2,5 Stunden später dann auch erreicht und nur kurze Zeit später ist die Wilhemshöhe in Sicht. Es kommt uns wie eine Ewigkeit vor, als wir hier unser Auto abgestellt haben.

Trotz optimierungsfähigen Wetter und einiger Anstrengung sind alle ein wenig traurig, als wir uns direkt am Felsentor für das finale Abschiedsbild in Stellung bringen.

Schön war’s.

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